Versetzung über 500 km: Entzug von Home-Office-Möglichkeit unbillig

27.01.2025
Arbeitsrecht
3 Minuten

Das Home-Office hat sich als Arbeitsmodell spätestens seit der Corona-Pandemie etabliert. Der neuerdings zu beobachtende Trend, Arbeitnehmer aus dem Home-Office zurückzuholen, beschäftigt inzwischen auch die Gerichte. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied nun, dass die Versetzung eines Mitarbeiters aus dem Home-Office an einen Präsenzarbeitsplatz in mehr als 500 km Entfernung unwirksam ist, wenn sie nicht billigem Ermessen entspricht und keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorliegen (LAG Köln, Urt. v. 27.09.2023, Az. 17 Ca 1951/23).

Worum geht es?

In dem Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung. Die Beklagte, ein industrielles Planungs- und Entwicklungsunternehmen, hatte den Standort, an dem der klagenden Arbeitnehmer beschäftigt war, geschlossen. Nun unternahm sie den Versuch, den Kläger an einen mehr als 500 km entfernten Standort zu versetzen. Der Kläger, seit 2017 im beklagten Unternehmen tätig, übte seine Arbeit zu 80 % aus dem Home-Office aus und betreute internationale Kunden sowohl virtuell als auch durch Dienstreisen. Gleichzeitig sprach das beklagte Unternehmen eine Änderungskündigung aus für den Fall, dass die Versetzung rechtlich unwirksam sein sollte. Der Kläger lehnte diese Änderungen ab und bot an, weiterhin aus dem Home-Office zu arbeiten.

Der Kläger argumentierte, dass die Versetzung unverhältnismäßig und unzumutbar sei, da sie kurzfristig erfolgte und erhebliche private Belastungen mit sich brachte. Zudem hielt er den Widerruf der Home-Office-Regelung für unzulässig, da diese über Jahre konkludent vereinbart worden war. Die Beklagte entgegnete, dass Homeoffice nie dauerhaft vereinbart wurde und ihr Betriebskonzept eine Anwesenheit vor Ort erforderlich mache.

Das angerufene Arbeitsgericht Köln gab dem Kläger recht und stellte die Unwirksamkeit sowohl der Versetzung als auch der Änderungskündigung fest. Es argumentierte, dass die Versetzung nicht billigem Ermessen entsprach und die Änderungskündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sei.

Die Entscheidung des LAG Köln

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wies die Berufung des beklagten Unternehmens gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln zurück und bestätigte, dass sowohl die Versetzung des Klägers als auch die hilfsweise erklärte Änderungskündigung unwirksam sind. Die Beklagte habe keine rechtliche Handhabe, den Kläger dauerhaft an einen mehr als 500 km entfernten Standort zu versetzen oder ihm unter geänderten Bedingungen eine Präsenzarbeitsstelle im Wege der Änderungskündigung aufzuzwingen.

Das LAG Köln stellte fest, dass die Weisung der Beklagten nicht billigem Ermessen entsprach (§ 106 GewO). Der Kläger habe über Jahre hinweg überwiegend aus dem Home-Office gearbeitet. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber zwar ein Weisungsrecht habe, dieses jedoch auf Grundlage einer Abwägung beiderseitiger Interessen ausgeübt werden müsse. Die kurzfristige Versetzung des Klägers sei angesichts der erheblichen privaten Belastungen (wie der erforderlichen Verlagerung des Lebensmittelpunkts und hoher Zusatzkosten) und fehlender Übernahme entstehender Kosten durch die Beklagte unverhältnismäßig. Die von der Beklagten vorgebrachten sachlichen Gründe für die Versetzung – insbesondere die Schließung des Standorts, an dem der Kläger zuvor beschäftigt war und die Konzentration der Tätigkeiten am neuen Standort– reichten nicht aus, um die Interessen des Klägers zu überwinden.

Die hilfsweise erklärte Änderungskündigung, die darauf abzielte, dem Kläger die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen am neuen Standort anzubieten, wurde ebenfalls als unwirksam erachtet. Das Gericht stellte fest, dass die Änderungskündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt war (§ 1 Abs. 2 KSchG). Zwar sei die Schließung des alten Standorts als unternehmerische Entscheidung nachvollziehbar, doch die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, warum eine Weiterführung der Tätigkeit des Klägers aus dem Home-Office unmöglich sei.

Das Gericht betonte, dass die Behauptung der Beklagten, Home-Office passe nicht in ihr Betriebskonzept, nicht ausreichend substantiiert dargetan sei. Es fehlte an konkreten Nachweisen über eine unternehmerische Entscheidung, die eine vollständige Abschaffung von Home-Office-Arbeitsplätzen belegen würde. Auch habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, welche Tätigkeiten zwingend eine Präsenz des Klägers am neuen Standort erforderten. Der Verweis auf allgemeine Überlegungen zur Teamarbeit und zur Nähe zu den Kunden genüge nicht, da der Kläger nachweislich auch internationale Kunden betreute, deren Sitz nicht in der Nähe lag.

Das Gericht sah zudem keine Verhältnismäßigkeit in der Änderungskündigung. Es hätte der Beklagten zugestanden, den Kläger im Home-Office weiter zu beschäftigen, da dies ein milderes Mittel gewesen wäre, das weniger belastend für den Kläger gewesen wäre. Die Interessen des Klägers, seinen Wohnort beizubehalten und weiterhin aus dem Home-Office zu arbeiten, überwogen deutlich die Interessen der Beklagten an der Präsenz am Standort.

Praxishinweis

Arbeitgeber dürfen Home-Office-Regelungen nicht einseitig widerrufen, wenn diese über einen längeren Zeitraum praktiziert und somit die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese konkludent vereinbart wurden. Eine Versetzung an einen anderen Standort ist nur dann wirksam, wenn sie den Grundsätzen des billigen Ermessens entspricht (§ 106 GewO). Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Parteien.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie bei Standortschließungen und damit verbundenen Neuorganisationen von Arbeitsplätzen konkrete und nachvollziehbare betriebliche Erfordernisse darlegen müssen. Außerdem sollten Alternativen wie Home-Office-Arbeitsplätze geprüft und – wenn möglich – angeboten werden. Eine Änderungskündigung ist nur dann zulässig, wenn mildere Mittel ausscheiden.

Bildnachweis:Asvolas/Stock-Fotografie-ID:846011850

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