Gleiches Geld für gleiche Arbeit – dieser Grundsatz gilt EU-weit und ist in Art. 157 AEUV verankert. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ihn nun in einem aktuellen Urteil erneut bekräftigt und die Rechte von Arbeitnehmerinnen im Kampf um gleiche Bezahlung deutlich gestärkt. Nach der Entscheidung genügt es künftig, wenn sich eine Klägerin beim Gehaltsvergleich auf einen einzelnen, besser verdienenden männlichen Kollegen beruft, selbst wenn dieser Spitzenverdiener ist.
Eine Abteilungsleiterin bei der Daimler Truck AG verlangte eine rückwirkende Anpassung ihrer Vergütung an das Gehalt eines männlichen Kollegen, der die gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit ausübt. Die Klägerin stützte sich dabei auf das europäische Equal Pay-Gebot und auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).
Nach ihrer Elternzeit hatte sie festgestellt, dass sie deutlich weniger verdiente als männliche Abteilungsleiter. Über das interne Entgelttransparenz-Dashboard erfuhr sie, dass ein Kollege deutlich höhere Bezüge (inklusive Aktienpaketen) erhielt. Auf dessen Gehalt wollte sie sich berufen.
Das Landesarbeitsgericht Stuttgart (Urt. v. 1. Oktober 2024 – 2 Sa 14/24) gab der Arbeitnehmerin nur teilweise Recht und wies die Klage weitgehend ab. Eine geschlechtsbedingte Benachteiligung sei nicht „überwiegend wahrscheinlich“. Es reiche nicht, nur eine Vergleichsperson zu benennen; vielmehr sei auf den Median der männlichen Vergleichsgruppe abzustellen.
Die Klägerin erhielt lediglich eine Entschädigung auf Basis der Differenz zwischen dem Medianentgelt der männlichen und der weiblichen Vergleichsgruppe – rund 130.000 Euro für vier Jahre.
Das BAG hob diese Entscheidung in wesentlichen Teilen auf und stellte klar: Eine Frau, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung geltend macht, muss sich nicht mit dem Median begnügen. Es genügt, wenn sie darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt zahlt. Damit bestätigt der 8. Senat des BAG, dass bereits der Vergleich mit einem einzigen männlichen Kollegen ausreicht, um die Vermutung einer Diskriminierung zu begründen. Die Größe der Vergleichsgruppe oder der Medianwert spielen keine Rolle. Der sogenannte Paarvergleich genügt. Kann der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen, ist er zur Zahlung des gleichen Entgelts verpflichtet, das der Vergleichskollege erhält.
Überraschend hat das BAG den Fall zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen. Damit erhält der Arbeitgeber erneut die Chance, sachliche Gründe für die Gehaltsunterschied zwischen der Klägerin und ihrem besserverdienenden Kollegen vorzutragen. Damit bleibt offen, ob die Klägerin letztlich obsiegt.
Das BAG stützte sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere das Urteil Brunnhofer (EuGH, 26.06.2001 – C-381/99). Danach genügt es, wenn eine Arbeitnehmerin beweist, dass sie bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein niedrigeres Entgelt erhält, dann spricht der erste Anschein für eine Diskriminierung. Die Beweislast liegt anschließend beim Arbeitgeber.
Diese Grundsätze werden künftig auch für die Umsetzung der EU-Entgelttransparenz-Richtlinie (EU) 2023/790 relevant, die bis Juni 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Sie sieht eine deutliche Absenkung der Hürden für Auskunfts- und Gleichbehandlungsansprüche vor.
Für Arbeitgeber ergeben sich aus dem Urteil insbesondere folgende Erkenntnisse:
Das BAG macht klar: Es reicht ein einzelner männlicher Kollege mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit, der mehr verdient, um die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung zu begründen. Arbeitgeber sollten darauf vorbereitet sein, dass bei Kenntnis über das Gehalt eines einzelnen Kollegen dieser von Arbeitnehmern als Vergleichsmaßstab herangezogen wird.
Arbeitgebern ist – auch mit Blick auf die neuen Anforderungen der Entgelttransparenzrichtlinie – dringend anzuraten, Entscheidungskriterien für eine unterschiedliche Gehaltsbemessung an sachliche und nachvollziehbare Gründe zu knüpfen und diese zu dokumentieren (z. B. Qualifikation, Leistung, Verantwortung, Dienstzeit). Arbeitgeber sollten daher ihre Vergütungsstrukturen prüfen und sicherstellen, dass Gehaltsentscheidungen geschlechtsneutral, transparent und nachvollziehbar dokumentiert sind - auch mit Blick auf die Anforderungen der Entgelttransparenzrichtlinie (Schomerus berichtete).
Das Urteil zeigt: Für Arbeitgeber ist dringend Handlungsbedarf gegeben. Der Verzicht auf ein transparentes Vergütungssystem kann zu erheblichen Nachteilen führen – im Prozess und bei der Mitarbeiterbindung. Zwar hält die Implementierung und Dokumentation eines Vergütungssystems einige Fallstricke bereit – bietet aber auch die Chance, durch ein transparentes, nachvollziehbares Vergütungssystem das Vertrauen und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu stärken. Schomerus berät Sie gern bei der Etablierung und Überprüfung eines transparenten Vergütungssystems.
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