Halbe Urlaubstage klingen nach einer praktischen Lösung – etwa, um den Arbeitstag früher zu beenden oder ein verlängertes Wochenende noch besser zu planen. Doch rechtlich sieht es anders aus: Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 06. März 2019 (Az. 4 Sa 73/18) besteht kein Anspruch auf die Gewährung von halben Urlaubstagen oder sonstigen Bruchteilen von Urlaubstagen.
Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer beantragte bei seinem Arbeitgeber halbe Urlaubstage, um nachmittags in seinem privaten Weinberg arbeiten zu können. Nachdem der Arbeitgeber dies ablehnte, zog der Arbeitnehmer vor Gericht, ohne Erfolg.
Bereits das Arbeitsgericht Heilbronn (Urt.v. 31.10.2018, 4 Ca 192/18) wies die Klage ab. Das LAG Baden-Württemberg bestätigte nun diese Entscheidung: Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG ist der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren. Nur wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen, darf der Urlaub geteilt werden.
Diese gesetzgeberische Wertung beruht auf dem Gedanken, dass der Urlaub der Erholung dient und nicht der kurzfristigen Freizeitgestaltung. Durch längere Abwesenheit von der Arbeit soll der Arbeitnehmer Abstand und damit einer größere Erholungsmöglichkeit gewinnen.
Bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 1965 entschieden, dass eine Zerstückelung des Urlaubs in halbe Tage oder Stunden dem Erholungszweck widerspricht (BAG, Urt. v. 29.07.1965 – 5 AZR 380/64). Das LAG Baden-Württemberg schließt sich dieser Linie ausdrücklich an:
„Ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.“
Ein halbtägig oder stundenweise gewährter „Urlaub“ würde den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers also gar nicht erfüllen – der Anspruch bestünde fort und könnte erneut geltend gemacht werden.
Auch individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die halbe Urlaubstage zulassen, sind nach Auffassung des Gerichts nicht wirksam, soweit sie den gesetzlichen Mindesturlaub betreffen.
Ebenso wenig entsteht durch eine wiederholte Praxis („betriebliche Übung“) ein Anspruch, da hierfür ein kollektiver Bezug im Betrieb erforderlich wäre, einzelne Einzelfälle reichen dafür nicht aus.
Eine gewisse Flexibilität bleibt nur beim sogenannten Mehrurlaub, also bei Urlaubsansprüchen, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen. Hier können die Arbeitsvertragsparteien abweichende Regelungen treffen, etwa, dass der übergesetzliche Urlaub auch in halben Tagen genommen werden darf.
Voraussetzung ist allerdings, dass im Vertrag klar zwischen gesetzlichem und vertraglichem Mehrurlaub unterschieden wird.
Das LAG Hamburg hatte 2014 (Urt. v. 21.09.2015 – 8 Sa 46/14) eine gegenteilige Auffassung vertreten und halbe Urlaubstage grundsätzlich für zulässig gehalten, solange mindestens zwölf zusammenhängende Werktage Urlaub pro Jahr verbleiben. Das BAG hat diese Rechtsfrage bislang nicht erneut entschieden.
Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf halbe Urlaubstage. Arbeitgeber sind daher nicht verpflichtet, solche Anträge zu genehmigen und sollten Urlaubsanträge kritisch darauf prüfen, ob sie hierdurch den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer ordnungsgemäß erfüllen. Andernfalls droht ein böses Erwachen, wenn der Arbeitnehmer trotz vieler Kurzurlaube weiter den vollen Urlaubsanspruch geltend machen kann.
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