Ein Gesellschafter kann nur aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden. Zur Konkretisierung kann auf § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückgegriffen werden, der festlegt, ob es der Gesellschaft zumutbar ist, auf das Ende der Kündigungsfrist zu warten. Dies gilt insbesondere, wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter bereits gekündigt hat und die Frist für die Beendigung seiner Beteiligung läuft.
Wenn die Gesellschaft bereits den Gesellschaftsvertrag ordentlich gekündigt und den Gesellschafter anschließend durch Beschluss ausgeschlossen hat, ist es entscheidend, ob die Fortsetzung der Gesellschaft vom Zeitpunkt des Ausschlusses bis zum Ende der Beteiligung aufgrund der Kündigung zumutbar ist. Es spielt keine Rolle, ob der Ausschluss gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die Gesellschaft nicht gekündigt worden wäre.
(OLG München, Beschl. v. 11.10.2023, Az. 7 U 3195/22)
Zwischen den Klägern und dem Beklagten, allesamt Mitglieder einer als Partnerschaftsgesellschaft formierten Rechtsanwaltssozietät, bestand ein Vertrag, welcher alle Parteien dazu verpflichtete, der Sozietät ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Demnach war es untersagt, auf eigene Rechnung Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Sozietät auf andere Weise Konkurrenz zu machen. Zum Ausscheiden eines Gesellschafters war geregelt, dass dies unter anderem durch Kündigung aus wichtigem Grund oder durch Ausschließung erfolgen kann. In entsprechender Anwendung der §§ 133, 140 HGB konnte es einstimmig beschlossen werden, wobei der betreffende Sozius nicht stimmberechtigt war.
Spätestens im April 2019 war das wechselseitige Vertrauen vollständig verloren gegangen. Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 15.5.2019 dem Beklagten gegenüber ihre ordentliche Kündigung. Sie nahmen in der Folge jedoch den Standpunkt ein, die Kündigung sei noch nicht wirksam, weil sich die Kläger die Kündigung nicht wechselseitig erklärt hätten. Mit Schreiben vom 3.9.2019 mahnten die Kläger den Beklagten ab. Er habe die Pflicht verletzt, seine gesamte Arbeitskraft der Sozietät zur Verfügung zu stellen. Zudem verletze er das Konkurrenzverbot, da er Nachlasspflegschaften übernommen habe, die nicht als Mandat der Partnerschaft geführt würden. In der Partnerversammlung am 23.10.2019 wurde mit den Stimmen der Kläger der Beschluss gefasst, den Beklagten aus der Partnerschaft auszuschließen. Am 9.12.2019 fassten die Kläger den Beschluss, ihre Kündigungserklärungen zurückzunehmen und die Gesellschaft fortzusetzen. Gegenüber dem Registergericht machte der Beklagte am 17.3.2020 geltend, dass seine Ausschließung unwirksam sei und die Gesellschaft bereits aufgrund Kündigungen der Kläger mit Wirkung zum 31.12.2019 aufgelöst worden sei.
Die Kläger haben in erster Instanz beantragt, festzustellen, dass der Beklagte mit Gesellschafterbeschluss vom 23.10.2019 wirksam aus der Partnerschaft ausgeschlossen worden und zur Mitwirkung der Anmeldung des Ausscheidens verpflichtet ist. Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Er ist der Meinung, der Vorwurf, er habe „Schattenmandate“ geführt, sei falsch. Außerdem wäre der Ausschließungsbeschluss vom 23.10.2019 schon aus formellen Gründen unwirksam.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Der Ausschließungsbeschluss sei unwirksam, weil die von den Klägern geltend gemachten Ausschließungsgründe dem Beklagten bereits im Abmahnschreiben vom 3.9.2019 vorgehalten worden seien und daher nicht zugleich der Kündigung zugrunde gelegt werden könnten.
Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Ausschluss eines Gesellschafters bedarf eines wichtigen Grundes. Der wichtige Grund ist im HGB nicht abschließend definiert; es besteht Einigkeit, dass für die Konkretisierung § 314 I S. 2 BGB herangezogen werden kann. Danach kommt es darauf an, ob den Klägern der Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Wertung beansprucht erst recht Geltung, wenn die Kläger selbst bereits die Kündigung erklärt haben und damit die Frist zur Beendigung der Gesellschaftsbeteiligung bereits läuft.
Entscheidend ist daher die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Sozietät vom 23.10.2019 bis zu dem infolge der ordentlichen Kündigungen der Kläger eintretenden Ende der Sozietät am 31.12.2019. Die Sachlage nach Kündigung der Kläger ist nicht anders, als wenn man sich einvernehmlich auf ein Ausscheiden der Kläger auf den 31.12.2019 geeinigt hätte. Dies gelte erst recht, wenn ein wesentlicher Teil der erhobenen Vorwürfe bereits den Hintergrund der ordentlichen Kündigung bildeten.
Die Kläger haben durch die Bestätigung der ordentlichen Kündigung durch die Abmahnung am 3.9.2019 zum Ausdruck gebracht, dass das ihnen bis dahin bekannte, dem Beklagten vorgeworfene Verhalten nicht einen sofortigen Ausschluss rechtfertige, sondern nur eine Abmahnung. Die Nicht-Beantwortung einer Abmahnung bei einer verbleibenden Restlaufzeit bis zur Wirksamkeit der Kündigung am 31.12.2019 reiche aber nicht für einen Ausschluss. Es sei eindeutig, dass eine personalistisch strukturierte Gesellschaft auf eine enge und vertrauensvolle Abstimmung der Gesellschafter angewiesen ist und deshalb den Informationspflichten und der Beachtung von Zustimmungserfordernissen eine hohe Bedeutung zukommt. Gleichwohl rechtfertigt die Weigerung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und eine mögliche Fortsetzung der Kooperation in der verbleibenden Zeit von zwei Monaten vor dem Ende der sogar bereits gekündigten Sozietät den Ausschluss nicht.
Mit Blick auf den zeitlichen Ablauf belege dieser vielmehr, dass es den Klägern mit dem Ausschluss des Beklagten darum ging, ihre Entscheidung zu revidieren, die Gesellschaft ordentlich zu kündigen; nicht aber ging es ihnen darum, einen unerträglichen Zustand schnellstmöglich zu beenden. Sie haben den Sozietätsvertrag in der Erwartung gekündigt, auch der Beklagte werde kündigen, so dass die Kanzlei liquidiert werde. Offenbar trauten sie ihm eine Fortführung der Kanzlei wirtschaftlich nicht zu; der Beklagte kündigte jedoch wider Erwarten nicht. Wäre es den Klägern darauf angekommen, einen unzumutbaren Zustand schnellstmöglich zu beenden, wäre ein unverzügliches Handeln geboten. Dies geschah jedoch nicht, denn bereits im Juli kannten sie die wesentlichen Umstände (Schattenmandate, Nachlasspflegschaften etc.). Auch die Abmahnung erfolgte erst mehr als einen Monat später.
Für die Frage der Zumutbarkeit nach § 314 I S. 2 BGB kommt es nicht auf die Zukunft des Unternehmens an, sondern auf die Dauer der Bindung an den Vertrag, die der durch den wichtigen Grund betroffene Teil ohne die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung noch durchstehen müsste. Nachteile durch eine nur noch kurze Restlaufzeit sind im Zweifel in Kauf zu nehmen.
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