50 % der GmbH-Anteile: Nicht selbstständige Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers

08.04.2024
Wirtschaft, Gesellschaft & Handel 2/2024
3 Minuten

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der 50 % der Anteile am Stammkapital hält, ist ausnahmsweise dann nicht selbstständig, wenn dem anderen Gesellschafter bei Stimmengleichheit das Recht zusteht, im Wege eines Stichentscheides eine Entscheidung in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen (SG Landshut, Urt. v. 11.1.2024, Az. S 1 BA 23/23).

Worum geht es?

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer sozialrechtlichen Betriebsprüfung über die Versicherungs- und Beitragspflicht des beigeladenen Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin. Nach § 3 des Gesellschaftervertrags beträgt das Stammkapital 52.000 Euro, wobei es sich im maßgeblichen Zeitraum in zwei Stammeinlagen je 26.000 Euro gliedert. In § 6 des Gesellschaftervertrages wurde die Regelung getroffen, dass Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. Bei Stimmengleichheit steht dem nicht beigeladenen Gesellschafter das Recht zu, im Wege eines Stichentscheids eine Entscheidung in der Gesellschafterversammlung herbeizuführen. Flankierend dazu enthält § 4 hinsichtlich der Geschäftsführung die Regelung, dass im Fall der Stimmengleichheit dem jeweils dienstältesten Geschäftsführer ein Stichentscheid zusteht.

Nach durchgeführter sozialrechtlicher Betriebsprüfung stellte die Beklagte in einem Bescheid fest, dass für den in Rede stehenden Zeitraum ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Klägerin und Beigeladenem besteht. Begründet wurde dies damit, dass dem Beigeladenen eine vollumfängliche, alle Angelegenheiten der Gesellschaft betreffende Sperrminorität nicht zugestanden habe. Beschlüsse des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers hätten wegen der Stichentscheids-Klausel nicht verhindert werden können. Somit könne kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausgeübt werden.

Die Klägerin legte daraufhin Widerspruch ein. Es wurde der Nachweis einer Satzungsänderung vorgelegt, in welcher die Regelung zum Stimmentscheid ersatzlos entfallen ist. Laut der Klägerin sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beigeladenen nicht um einen Minderheiten-Gesellschafter-Geschäftsführer handele, da er über eine Beteiligung am Stammkapital von 50 % verfüge. Bei einer Beteiligung von 50 % sei aber stets von der Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung auszugehen; auf eine Sperrminorität komme es nicht an.

Wie entschied das Gericht?

Das Sozialgericht Landshut befand den Bescheid der Beklagten für rechtmäßig. Eine Rechtsverletzung der Klägerin sei mithin nicht gegeben. Die Beklagte habe im Rahmen der Betriebsprüfung zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene aufgrund abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig war. Versicherungspflichtig sind die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Personen. Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung im fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer wie vorliegend zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal der Abgrenzung. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist damit nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist grundsätzlich bei allen Gesellschaftern gegeben, die zumindest 50% der Anteile am Stammkapital halten. Minderheitsgeschäftsführer sind nur ausnahmsweise als selbstständig anzusehen, wenn ihnen nach dem Gesellschaftervertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.

Eine “unechte“, nur auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität ist daher nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Die Tätigkeit des Geschäftsführers ist nur dann unternehmerisch, wenn er auf alle wesentlichen Grundlagenentscheidungen Einfluss nehmen kann. Gesellschafter-Geschäftsführer müssen daher Gewinnchancen und Unternehmensrisiken mitbestimmen können. Über solche, einem Selbstständigen im eigenen Unternehmen vergleichbare Einfluss- und Mitbestimmungsmöglichkeiten verfügt der Beigeladene nach dem Gesellschaftsvertrag im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Ihm steht keine Verhinderungsmacht zu, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Bei Stimmengleichheit hat immer der andere Gesellschafter das Wort und damit die Rechtsmacht, alle wesentlichen Entscheidungen in der Gesellschaft in seinem Sinne durchzusetzen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Beigeladene abhängig beschäftigt.

Praxishinweis

Pattsituationen können überall dort entstehen, wo die notwendige Stimmenmehrheit für Beschlussfassungen faktisch der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Ein Lösungsmodell ist die sogenannte Stichentscheids-Klausel. Ein anderer Mechanismus ist die Verteilung 51 zu 49 Prozent. Der Vorteil hierbei sind die klaren Verhältnisse, allerdings wird diese Methode häufig als unfair empfunden, da das Damoklesschwert (die 51 %) im Laufe der Zeit häufig die anfangs gelebte Einvernahme überholt und sich zum „Kriegszustand“ entwickelt. Bei jeder Gestaltung müssen die Folgen für den sozialversicherungsrechtlichen Status der Gesellschafter-Geschäftsführer bedacht werden.

Bildnachweis:Seiya Tabuchi/Stock-Fotografie-ID:1449717180

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