Aktuelles zur Betriebsratswahl 2026: Wahlberechtigung in Matrixstrukturen

01.09.2025
Arbeitsrecht
3 Minuten

2026 stehen wieder die regulären Betriebsratswahlen an. Und in diesem Zusammenhang stellen sich regelmäßig Fragen der Wahlberechtigung einzelner Arbeitnehmer. Denn bei fehlerhafter Einschätzung droht mindestens die Betriebsratswahlanfechtung, aber auch in besonderen Fällen die Nichtigkeit der Wahl.  

In Unternehmen mit Matrixstrukturen stellt sich häufig die Frage, welche Beschäftigten welchem Betrieb i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zuordenbar und damit für welchen Betrieb wahlberechtigt sind. Oder andersherum, dass und ob eine Fehleinschätzung zur Wahlanfechtung oder gar Nichtigkeit der Wahl führt.  

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 22.05.2025 unter Az. 7 ABR 28/24 einen Beschluss zur Zuordenbarkeit von Führungskräften in sog. Matrixstrukturen gefasst. Dieser Beschluss – der derzeit noch nicht im Volltext, sondern nur als Pressemitteilung vorliegt – gilt allerdings nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle Arbeitnehmer.   

Beschluss des BAGs vom 22.05.2025:  

In dem zugrunde liegenden Fall war eine vom BetrVG abweichende Betriebsratsstruktur mit mehreren Betriebsräten durch Gesamtbetriebsvereinbarung gem. § 3 BetrVG vereinbart worden.  

Die Erledigung der Arbeitsaufgaben im Unternehmen der Arbeitgeberin gliederte sich in verschiedene Bereiche, in denen Arbeitnehmer aus verschiedenen Organisationseinheiten in Teams zusammenarbeiteten und von sog. Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten waren, geführt wurden (unternehmensinterne Matrix-Struktur). Aus Anlass der Betriebsratswahl 2022 und nachfolgender Wahlanfechtung war in drei Instanzen streitig, in wie vielen Betrieben die Matrix-Führungskräfte wahlberechtigt seien. 

Das BAG war der Auffassung:  

  • Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einen Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen. Es ist möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein. Für die Wahlberechtigung komme es insbesondere auf die Zugehörigkeit zu einem Betrieb i.S. der Eingliederung in die Betriebsorganisation an. 

Das BAG hebt mit dem Beschluss die Vorentscheidung des LAG Baden-Württemberg (13.06.2024 – 3 TaBV 1/24) auf, das meinte, für Matrix-Führungskräfte sei deren arbeitsvertragliche Zuordnung maßgeblich, nicht die Zuordnung der von ihnen geführten Mitarbeiter.  

Die Sache wurde vom BAG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und u.a. auch zur Prüfung der Wirksamkeit der mit der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegten Betriebsratsstrukturen sowie der Mehrfacheingliederung und -wahlberechtigung von Arbeitnehmern an die Vorinstanz zurückverwiesen. 

Einordnung:  

Die Entscheidung des BAGs ist nicht überraschend:  

Das BAG stellte schon bisher u.a. bei der Frage der Wahlberechtigung nicht darauf ab, mit welchem Betrieb eines Unternehmens das Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, sondern ausschließlich auf die Eingliederung in einen Betrieb: 

  • Die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung setzt regelmäßig voraus, dass ein Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist; „Eingliederung“ meint, kurz gefasst, für welche organisatorische Einheit des Arbeitgebers der Arbeitnehmer seine Arbeitsaufgaben zur Erreichung des dortigen arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs tatsächlich erbringt (BAG, 22.3.2000, NZA 2000, 1119).  

  • Dieser Begriff der „Eingliederung“ in einen Betrieb ist nicht nur maßgeblich für die Wahlberechtigung bei der Betriebsratswahl, sondern auch für die Frage, dass und ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats etwa bei Ausschreibungen, Einstellungen oder Versetzungen usf. bestehen.  

  • Dass Führungskräfte in dieser BAG-Entscheidung den „normalen“ Arbeitnehmern gleichgesetzt wurden, ist ebenfalls nicht neu: Die meisten sog. Führungskräfte sind keine leitenden Angestellten i.S.d. BetrVG, sondern „normale“ Arbeitnehmer; nur in den Ausnahmefällen des § 5 Abs. 2-4 BetrVG kommt eine Anwendung des BetrVG nicht in Betracht. 

Fazit: Erhöhtes Risiko bei der Betriebsratswahl 2026 

Die Entscheidung des BAG rückt die Gefahr von Mehrfachwahlberechtigungen von Arbeitnehmern bei der Betriebsratswahl unmittelbar vor der nächsten regulären Wahl 2026 in den Fokus, und zwar in diesem konkreten Fall konkret für Führungskräfte in Matrix-Strukturen. Aber sie bestätigt die bisherige Rechtsprechung und ist auch selbst nicht allein auf Führungskräfte in Matrix-Strukturen beschränkt: 

  • Die Gefahr einer Mehrfachwahlberechtigung stellt sich generell (u.a. bei der Einstellung von Arbeitnehmern an einem mehr oder weniger beliebigen Standort, etwa aufgrund von Home Office-Vereinbarungen). Sie stellt sich aber auch grundsätzlich für alle Arbeitnehmer in sog. Matrix-Strukturen.  

  • Zudem wird leider auch erneut deutlich, dass allein der Abschluss eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung zu einer abweichenden Betriebsratsstruktur nach § 3 BetrVG wegen der (mindestens) Anfechtbarkeit der Wahl keine langwierigen Rechtstreitigkeiten ausschließt, wenn die Zuordnung der Arbeitnehmer durch den Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung fehlerhaft ist bzw. die tatsächliche Eingliederung von Arbeitnehmern unberücksichtigt lässt.  

  • Auf der anderen Seite wird zu Recht bereits in den bisherigen Stellungnahmen zum BAG-Beschluss darauf hingewiesen, dass gerade in Matrixstrukturen vom Gesetz abweichende Betriebsratsstrukturen nach § 3 BetrVG durch Sparten- oder unternehmenseinheitliche Betriebsräte die Möglichkeit zur Anpassung von gewachsenen Strukturen an die tatsächlichen Arbeitsweisen bieten.  

Insgesamt dürfte dieser Beschluss des BAGs, der bereits jetzt allein aufgrund der Pressemitteilung in der juristischen Literatur hochgradig Beachtung gefunden hat, zu einer erhöhten Sensibilität bei Betriebsräten und Betriebsratsanwälten gefunden haben und insofern zu einem hohen Maß an Betriebsratswahlanfechtungsverfahren nach der Wahl 2026 führen – aus Richterkreisen hört man bereits, dass von vermehrten Betriebsratswahlanfechtungen in 2026 ausgegangen wird.  

Ein Grund mehr, sich bereits jetzt mit dem Thema der Wahlberechtigung insbesondere in Matrix-Strukturen auseinanderzusetzen.

Bildnachweis:nullplus/Stock-Fotografie-ID:170027495 & vladwel/Stock-Illustration-ID:1423276631

Immer bestens informiert mit den Newslettern von SCHOMERUS

Steuerberatung und Rechtsberatung
Schomerus & Partner mbB
Steuerberater Rechtsanwälte
Wirtschaftsprüfer
Wirtschaftsprüfung
Hamburger Treuhand Gesellschaft
Schomerus & Partner mbB
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
München
Atelierstraße 1
81671 München
Hamburg
Deichstraße 1
20459 Hamburg
Pixel