Eine unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters kann auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen (BGH, Urt. V. 19.01.2023, Az. VII ZR 787/21).
Die Klägerin fordert vom Beklagten nach Beendigung eines zwischen ihnen bestehenden Handelsvertretervertrags die Rückzahlung eines Darlehens. Die Klägerin produziert und vertreibt Möbel, der Beklagte war als selbstständiger Handelsvertreter für sie tätig. Die Provisionen wurden monatlich abgerechnet und auf ein Provisionskonto verbucht.
Im Zeitraum Oktober 2013 bis Mai 2014 erhielt der Beklagte vereinbarungsgemäß Vorauszahlungen auf die Provision. Die vom Beklagten zu beanspruchenden Provisionen lagen allerdings unter den Vorauszahlungen, sodass sich am Ende ein Saldo zu Lasten des Beklagten ergab. Die Parteien schlossen daraufhin einen Vertrag, mit dem die Klägerin dem Beklagten ab dem 01. Juni 2014 ein Darlehen in Höhe dieses Saldos gewährte. Zudem wurde vereinbart, dass die Klägerin dem Beklagten eine monatliche Mindestzahlung gewähren sollte, die mit Provisionsforderungen des Beklagten verrechnet werden sollte. Der sich daraus zu Lasten des Beklagten ergebene monatliche Saldo sollte als Darlehen gewährt und verzinst werden.
Darüber hinaus enthielt der Vertrag die Regelung, dass im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages die Restschuld des Darlehens und die zum Stichtag aufgelaufenen Zinsen sofort fällig sind. Unerheblich sei, durch wen und aus welchem Grund der Vertrag beendet würde.
2016 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den ausstehenden Betrag zuzüglich der angefallenen Zinsen auszugleichen. Nachdem der Beklagte lediglich den Zinsbetrag zahlte, kündigte die Klägerin den Handelsvertretervertrag fristlos. Die Klägerin hat mit der Klage eine Zahlung des ausstehenden Restbetrags geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen aus Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.
Vor dem BGH hatte der Beklagte Erfolg. Ein selbstständig klagbarer Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des 2016 bestehenden Zwischensaldos bestehe nicht. Denn die fortlaufend dem Beklagten gewährten Vorauszahlungen seien bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrages mit den von ihm verdienten Provisionsforderungen jeweils monatlich verrechnet worden. Das vom Beklagten erklärte Anerkenntnis in Bezug auf den bestehenden Saldo ist infolge der fortlaufenden monatlichen Aufrechnung von Vorauszahlungen und Provisionsforderungen und der monatlich fortlaufenden Saldobildung gegenstandslos geworden.
Zudem sei nach § 89a I S. 1 HGB ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund kündbar. Dieses Recht darf gemäß S. 2 weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Diese zwingende gesetzliche Regelung stelle eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreter dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird.
Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden. Unter welchen Voraussetzungen eine unzulässige Beschränkung vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung beschränke sich darüber hinaus nicht auf die vertragliche Vereinbarung zur Fälligkeit des Darlehensanspruchs, sondern umfasse den Rückzahlungsanspruch insgesamt.
Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung handele es sich bei der vertragsgemäßen Darlehensgewährung im Streitfall um eine Vorauszahlung auf eine zu erwartende Vergütung. Durch die monatliche Darlehensaufstockung in bestimmter Höhe, die mit Provisionsforderungen des Handelsvertreters verrechnet und zum Ende des Vertragsverhältnisses sofort zur Zahlung fällig wird, wird der Handelsvertreter in seiner Entscheidungsfreiheit, das Vertragsverhältnis zum Unternehmer aufzulösen, beschränkt.
Mittelbare Auswirkungen der Vertragsgestaltung sind stets am Maßstab des § 89a I S. 2 HGB zu prüfen und können nicht unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen „Reflex“ der Abrede, von vornherein von der Prüfung ausgenommen werden.
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