Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 30. April 2025 zentrale Fragen zum Umgang mit E-Mails in der steuerlichen Außenprüfung geklärt. Unternehmen müssen E-Mails mit steuerlichem Bezug wie Handels- und Geschäftsbriefe behandeln und im Prüfungsfall vorlegen. Gleichzeitig hat der BFH der Finanzverwaltung klare Grenzen gesetzt: Ein pauschales, neu zu erstellendes E-Mail-„Gesamtjournal“ darf nicht verlangt werden. Damit stärkt die Entscheidung die Digitalkompatibilität der Aufbewahrungspflichten, ohne die Prüfungsbefugnisse grenzenlos auszuweiten.
Der BFH stellt zunächst klar, dass E-Mails, soweit sie rechnungslegungs- oder steuerlich relevante Informationen enthalten, als Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO aufzubewahren sind. Dies umfasst insbesondere E-Mail-Korrespondenz, die der Vorbereitung, dem Abschluss und der Durchführung von Geschäften dient. In Konzernkonstellationen betrifft dies typischerweise die Kommunikation rund um konzerninterne Vereinbarungen, Abrechnungen oder die Anwendung von Verrechnungspreismethoden.
Darüber hinaus fallen (digitale) Unterlagen über Konzernverrechnungspreise unter § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO. Die Finanzverwaltung darf im Rahmen der Außenprüfung daher grundsätzlich die Vorlage derjenigen E-Mails verlangen, die für die Überprüfung der Verrechnungspreisdokumentation – etwa zur Kostenbasis einer Cost-Plus-Vergütung – relevant sind. Dem Unternehmen bleibt jedoch sein sogenanntes Erstqualifikationsrecht erhalten: Es darf E-Mails, die rein privater Natur oder offensichtlich steuerlich irrelevant sind, aussortieren und muss nur die relevanten Nachrichten vorlegen.
Eine wichtige Grenze zieht der BFH bei der Forderung nach einem „Gesamtjournal“. Darunter versteht die Finanzverwaltung eine maschinell auswertbare Übersicht über sämtliche E-Mails (inklusive Metadaten wie Absender, Empfänger, Betreff, Zeitstempel und Anlagen), unabhängig von deren steuerlicher Relevanz. Für ein derartiges, insbesondere erst zu erstellendes Journal fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO setzen das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht voraus; sie erlauben keinen umfassenden Zugriff auf nicht aufbewahrungspflichtige oder gar nicht vorhandene Übersichten. Auch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO hilft nicht weiter, weil diese Norm nur die Vorlage tatsächlich vorhandener Unterlagen ermöglicht und keine Pflicht zur Neuerstellung begründet.
Der BFH hält ein Vorlageverlangen für hinreichend bestimmt, wenn es sich – wie im Streitfall – auf einen eindeutigen Prüfungsgegenstand bezieht, etwa eine konkrete konzerninterne Vereinbarung und die dazugehörige Korrespondenz. Die Finanzverwaltung muss ein solches Verlangen nicht zwingend durch Suchbegriffe, bestimmte Mitarbeiter oder engere Zeitfenster weiter verfeinern, solange der Bezug auf den steuerlich relevanten Sachverhalt erkennbar ist.
Zugleich betont der BFH die Verhältnismäßigkeit. Die Anforderung steuerlich relevanter E-Mails ist geeignet und erforderlich, um die Vollständigkeit der erklärten Betriebseinnahmen oder die Angemessenheit der Verrechnungspreismethode zu überprüfen. Datensicherheit und Datenschutz werden dadurch gewahrt, dass der Datenzugriff in der Sphäre des Steuerpflichtigen erfolgt. Unverhältnismäßig wäre demgegenüber ein flächendeckendes Gesamtjournal, das auch nicht relevante Kommunikation erfassen würde.
Für Unternehmen bedeutet die Entscheidung zweierlei: Zum einen müssen E-Mails mit steuerlichem Bezug so organisiert werden, dass sie im Prüfungsfall geordnet und nachvollziehbar vorgelegt werden können. Zum anderen besteht keine Pflicht, eine allumfassende Meta-Übersicht aller E-Mails zu generieren, die auch nicht steuerrelevante Kommunikation erfasst.
Praktisch empfiehlt es sich, eine klare E-Mail-Archivierungs- und Klassifizierungspolitik einzuführen. Diese sollte festlegen, welche Arten von E-Mails als steuerlich relevant gelten (zum Beispiel Nachrichten zu Intra-Group-Agreements, Rechnungsabstimmungen, Preis- und Methodendiskussionen, Kostenbasen, Lizenz- oder Finanzierungsfragen) und wie diese Nachrichten revisionssicher, unveränderbar und auffindbar archiviert werden. Sinnvoll sind organisatorische Zuordnungen nach Projekten, Verträgen oder Geschäftsvorfällen sowie eine enge Verzahnung mit der Verrechnungspreisdokumentation. Unternehmen sollten außerdem einen dokumentierten Prozess für die Erstqualifikation vorhalten, der regelt, wer die Sichtung vornimmt, nach welchen Kriterien sortiert wird und wie mit gemischt relevanter Korrespondenz (beispielsweise Schwärzungen) umzugehen ist.
Im Prüfungsfall sollte das Unternehmen einen strukturierten Zugriffsrahmen anbieten. Dazu gehört die Bereitstellung der relevanten E-Mails in den Geschäftsräumen des Unternehmens oder – technisch abgesichert – in den Diensträumen der Finanzverwaltung. Private oder offensichtlich nicht steuerrelevante Kommunikation bleibt außen vor. Fordert die Finanzverwaltung gleichwohl ein Gesamtjournal, können Unternehmen unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung die fehlende Rechtsgrundlage geltend machen und stattdessen die geordneten, relevanten E-Mails bereitstellen.
Der BFH schafft digitale Rechtssicherheit: E-Mails sind – soweit steuerlich relevant – aufzubewahren und in der Außenprüfung vorzulegen. Gleichzeitig setzt der Beschluss dem Datenhunger klare Grenzen, indem ein generelles, neu zu erstellendes E-Mail-Gesamtjournal unzulässig ist. Unternehmen sollten ihre E-Mail-Archivierung, Klassifizierung und die Verknüpfung mit der Verrechnungspreisdokumentation jetzt prüfungssicher ausgestalten, um im nächsten Prüfungsfall effizient und rechtssicher reagieren zu können.
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