Anwendung der Grundsätze von Anscheins- und Duldungsvollmacht im Online-Handel

10.01.2024
Wirtschaft, Gesellschaft und Handel 1/2024
2 Minuten

Die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht finden grundsätzlich auch im Online-Handel Anwendung (AG Charlottenburg, Urt. v. 29.9.2023, Az. 209 C 33/23).

Worum geht es?

Am 23.11.2020 wurde bei der Klägerin online ein Apple iPhone 12 Mini 256 GB für 944,55 Euro bestellt. Die per Paypal eingeleitete Zahlung erfolgte jedoch nicht.

Die Beklagte hatte zuvor im September 2020 mit einer vermeintlichen russischen Firma einen Vertrag über eine Beschäftigung als Paketagentin abgeschlossen. Sie sollte Pakete an eine vermeintliche Firmenanschrift in Russland weiterleiten. Als Gegenleistung sollte sie 25 Euro pro Paket erhalten.

Am 28.9.2020 erhielt die Beklagte erstmals Pakete an ihre Anschrift. Am 1.10.2020 leitete sie erstmals Waren an ihren Auftraggeber weiter. Die Beklagte hatte ihrer Auftraggeberin nie erlaubt, Bestellungen unter ihrem Namen aufzugeben. Am 17.11.2020 stellte die Beklagte fest, dass ihre russische Auftraggeberin in ihrem Namen Waren bestellte. Sie wies ihre Vertragspartnerin darauf hin, dass auf der Rechnung stehen müsse, dass jemand anderes bestellt und sie nur Empfängerin sei.

Die Beklagte erhielt das streitgegenständliche iPhone mit einem Lieferschein, auf dem ihre Anschrift sowohl als Liefer- als auch als Rechnungsadresse angegeben war. Sie leitete das Gerät an ihre russische Vertragspartnerin weiter. Danach wurde sie mehrfach zur Zahlung des Kaufpreises gemahnt, bezahlte jedoch nicht.

Die Beklagte war der Ansicht, zwischen ihr und der Klägerin sei kein Vertrag zustande gekommen, schließlich sei sie selbst ein Opfer, da sie auf ein betrügerisches Angebot einer russischsprachigen Online-Plattform reingefallen sei.

Wie entschied das Gericht?

Das Amtsgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Die Klägerin hat demnach einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 944,55 Euro gegen die Beklagte aus § 433 II BGB. Zwar hat die Beklagte selbst kein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages abgegeben, sie wurde jedoch durch die russischen Hinterleute wirksam vertreten. Diese hatten zwar keine ausdrückliche Vollmacht der Klägerin erhalten, es lag jedoch wenigstens eine Duldungsvollmacht vor. Die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht finden nämlich grundsätzlich auch im Online-Handel Anwendung. Lässt der Vertretene es in zurechenbarer Weise zu, dass ein anderer ohne Bevollmächtigung als sein Vertreter auftritt, so dass Dritte daraus berechtigterweise auf das Bestehen einer Vollmacht schließen können, so muss er sich so behandeln lassen, als habe er ihm Vollmacht erteilt.

Die Beklagte bekam von der Klägerin die Bestellung vom 23.11.2020 übersandt, in der sie, trotz ihres ausdrücklichen Verbots, in dem Lieferschein wieder als Bestellerin aufgeführt war. Dieses Verhalten nahm sie erneut nach außen widerspruchslos hin. Sie hätte den Online-Kauf jedoch unschwer stornieren und das Gerät an die Klägerin zurücksenden können. Stattdessen leitete sie das Paket sogar an ihre russischen Hinterleute weiter. Damit duldete sie das Verhalten nicht nur, vielmehr genehmigte sie es durch schlüssiges Verhalten.

Praxishinweis

Die Anscheinsvollmacht ist ein Sonderfall der Vertretungsmacht. Sie bezeichnet den zurechenbaren Rechtsschein des Bestehens einer Vollmacht. Grundsätzlich wird Vertretungsmacht entweder kraft Gesetzes angeordnet oder per rechtsgeschäftlicher Vollmachtserteilung eingeräumt. Bei einer Anscheinsvollmacht muss der Vertretene, der keine Vollmacht eingeräumt hat, sich das Auftreten seines angeblichen Vertreters dennoch wie bei einer Vollmacht zurechnen lassen, weil er trotz einer gewissen Häufigkeit und Dauer nicht dagegen einschreitet, dass der angebliche Vertreter in seinem Namen handelt. Bei Gutgläubigkeit des Geschäftspartners als Drittem wird das Rechtsgeschäft kraft Rechtsscheins für und gegen den Vertretenen wirksam.

Im Unterschied zur Anscheinsvollmacht, bei der der Vertretene gegebenenfalls keine positive Kenntnis vom Auftreten des angeblichen Vertreters hat, dieses aber hätte kennen können, kennt der Vertretene bei der Duldungsvollmacht das Auftreten „seines“ Vertreters, duldet es aber. Auch hier kommt das Rechtsgeschäft für und gegen den Vertretenen zustande.

Bildnachweis:anyaberkut/Stock-Fotografie-ID:1352130137

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