Vorzeitiges „Weihnachtsgeschenk“ aus Erfurt: Bundesarbeitsgericht legt Entscheidungsgründe zur Zeiterfassungspflicht von Arbeitgebern vor

09.12.2022
Arbeitsrecht
2 Minuten

Die Verkündung dieses Urteils ging wie Donnerhall durch die arbeitsrechtliche Praxis: Jeder Arbeitgeber ist zur Zeiterfassung verpflichtet – und das schon heute. So viel war bereits seit der Veröffentlichung der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im September 2022 bekannt. Nun legt das BAG nach und veröffentlicht die Urteilsgründe. An der grundsätzlichen Aussage ändert sich – erwartungsgemäß – nichts, in Nuancen stellen die Entscheidungsgründe dennoch einen ersten Richtungsweiser dar, nachdem der Gesetzgeber sich weiterhin mehr oder weniger konsequent in Schweigen hüllt. In jedem Fall dürfte spätestens jetzt Handlungsbedarf für viele Arbeitgeber bestehen.

Was ist der Inhalt der Urteilsgründe?

Spätestens seit der Veröffentlichung der Pressemitteilung des BAG aus September ist bekannt: Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ der Zeiterfassung einzurichten, wie es bereits in der maßgeblichen Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019 heißt.

In den nun vorliegenden Entscheidungsgründen zu seiner Entscheidung vom 13.09.2022 (Az.: 1 ABR 22/2, SCHOMERUS berichtete → Paukenschlag aus Erfurt: Arbeitgeber sind zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet) betont das BAG nun ausdrücklich, dass gerade die „Erfassung und Aufzeichnung“ der Arbeitszeit wesentliche Voraussetzung ist, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Bei der Einführung eines solchen Systems muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass das Arbeitszeiterfassungssystem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfassen kann. Es genügt aber nicht, den Arbeitnehmern einfach ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung zu stellen; der Arbeitgeber muss die tatsächliche Zeiterfassung auch kontrollieren oder diese selbst wahrnehmen.

Dabei lässt das BAG den Arbeitgebern mangels aktueller gesetzgeberischer Vorgaben einen Spielraum, wie das Arbeitszeiterfassungssystem konkret auszugestalten ist. Ausdrücklich hält es fest, dass die Arbeitszeiterfassung „nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen muss.“ Je nach Tätigkeit und Unternehmen könnte etwa auch eine Aufzeichnung in Papierform genügen. Auch erteilt das BAG der häufig herbeigeredet und -geschriebenen Folge der Entscheidung, jede Form der Vertrauensarbeitszeit müsse ad acta gelegt werden, eine Absage: Das Gericht stellt ausdrücklich klar, dass auch die Delegation der Pflicht zur Zeiterfassung an die Arbeitnehmer durchaus möglich sei. Hingegen ist es nicht mehr möglich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne jede Zeiterfassung arbeiten lässt.

Ebenfalls eine bereits seit September bekannte Folge der Entscheidung ist, dass der – etwaig vorhandene – Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht beim „ob“ der Einführung eines Zeiterfassungssystems hat, denn dies ist bereits gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers. Sehr wohl hat er jedoch ein Mitbestimmungsrecht beim „wie“ der Einführung eines solchen Zeiterfassungssystems.

Fazit:

Viele Horrorszenarien sind erdacht und beschrieben worden, wenig davon hat sich bewahrheitet. Was bleibt ist jedoch in jedem Fall die Erkenntnis, dass ein „Weiter-So“ ohne jede Zeiterfassung für Arbeitgeber nicht möglich ist. Für diejenigen Arbeitgeber, die bisher auf jede Form der Arbeitszeiterfassung verzichtet haben, besteht also akuter Handlungsbedarf. Die Schreckgespenster des „Endes der Vertrauensarbeitszeit“ und viele mehr haben sich hingegen als genau dies erwiesen – als Gespenster. Auch besteht momentan keine unmittelbare Gefahr, durch die Nichteinhaltung der neuen Vorgaben etwa im Wege eines Bußgeldes sanktioniert zu werden. Wenn jedoch die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems durch die Arbeitsschutzbehörde angeordnet wird und dies dann nicht umgesetzt wird, droht ein Bußgeld.

Es bleibt hier abzuwarten, wann und wie der Gesetzgeber, der durch das BAG bereits unter enormen Zugzwang gesetzt wurde, auf diese Entscheidung nun reagiert und verlässliche Rahmenbedingungen für die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems liefert.

SCHOMERUS berät Sie gern zu Fragen der Zeiterfassung und begleitet Sie bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems, auch bei der Abstimmung mit dem Betriebsrat.

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