Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun mit einer Reihe von aktuellen Entscheidungen aus diesem Jahr, in denen es seine bisherige Rechtsprechung aufgibt, neuen Wind in die Thematik gebracht. Die wichtigsten Änderungen und die Auswirkungen auf Ihre Praxis stellen wir Ihnen nachfolgend vor:
Nach der bisherigen Rechtsprechung entstand auch bei ruhenden Arbeitsverhältnissen, also z.B. während Sabbaticals, bei Sonderurlaub oder während der Altersteilzeit, der gesetzliche Mindesturlaub – selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr aussetzte. Das Bundesurlaubsgesetz knüpft für das Entstehen des Anspruches nach alter Auffassung des BAG nicht an eine Arbeitspflicht, sondern lediglich an das rechtliche Bestehen des Arbeitsverhältnisses an. Bisher konnte vertraglich daher lediglich der häufig zusätzlich gewährte Urlaub für diese Zeiten ausgeschlossen werden.
Mit einer Reihe von Urteilen (Urt. v. 19. März 2019 – Az.: 9 AZR 406/17, Urt. v. 21. Mai 2019 – Az.: 9 AZR 259/18 und Urt. v. 19. März 2019 – Az.: 9 AZR 315/17) hat das BAG eine Kehrtwende vorgenommen und verneint nunmehr Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers während Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs. Es betont nun, dass an „die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung der für das Urlaubsjahr maßgeblichen Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage zu ermitteln sei, um eine gleichwertige Urlaubsdauer für alle Arbeitnehmer zu sichern.“ Zeiten einer unbezahlten Freistellung werden in diese Berechnung daher mit „Null“ eingestellt. Im Ergebnis entstehen daher während Zeiten einer unbezahlten Freistellung keine Urlaubsansprüche.
Bei der Altersteilzeit im sog. Blockmodell knüpft sich an eine Arbeitsphase (meist in Vollzeit) eine Freistellungsphase ohne Arbeitspflicht an. Der Arbeitnehmer erhält durchgehend für den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit eine Teilzeit-Vergütung. Auch in diesem Fall soll nunmehr, so das BAG (Urt. v. 24. September 2019 – Az.: 9 AZR 481/19), während der Freistellungsphase kein Urlaubsanspruch entstehen. Tritt der Wechsel von Arbeits- zu Freistellungsphase unterjährig ein, ist der Urlaubsanspruch anteilig zu berechnen.
Das BAG hat noch nicht entschieden, ob dieser Grundsatz nicht nur bei einer unbezahlten Freistellung, sondern auch für ein Sabbatical bestehend aus einer Anspar- und einer Freistellungsphase gilt. Hierfür spricht jedoch, dass die Ausgangssituation vergleichbar mit der bei einer Altersteilzeit ist. Nach (freilich unverbindlichen) Äußerungen eines BAG-Richters auf einer Fachtagung soll der Grundsatz auch auf Sabbaticals mit Ansparphase übertragbar sein. Urlaubsansprüche entstehen dann nur in dieser Ansparphase, nicht aber in der Freistellungsphase.
Bei der Vertragsgestaltung von Sabbatical-Vereinbarungen sollte zukünftig das Entstehen von Urlaubsansprüchen während der Freistellungsphase ausgeschlossen werden.
Auch während der Elternzeit ruht die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Hier gibt es aber eine gesetzliche Regelung in § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), die als lex specialis den neuen Grundsätzen der Rechtsprechung vorgeht. Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Jahresurlaubsanspruch des Arbeitnehmers um 1/12 für jeden vollen Monat der Elternzeit kürzen. Diese Kürzung kann auch konkludent erfolgen, es sollte vorsorglich aber ausdrücklich schriftlich (E-Mail etc.) darauf hingewiesen werden, z.B. in der Bestätigung der Elternzeit. Wichtig ist, dass die Kürzung nur für jeden vollen Monat erfolgen kann. Bei untermonatigem Beginn oder Ende der Elternzeit bleibt der Urlaubsanspruch für diese Monate daher bestehen.
Auch bei einer unterjährigen Veränderung der Arbeitszeit stellt sich für Arbeitgeber die Frage, wie der Urlaubsanspruch korrekt berechnet wird. Der Urlaubsanspruch berechnet sich grundsätzlich nach dem Kalenderjahr und nicht etwa monatlich oder wöchentlich. Früher hat das BAG geurteilt, dass im Fall eines unterjährigen Wechsels der Arbeitszeitverteilung der kalenderjährig bestimmte Urlaubsanspruch nicht in Zeitabschnitte unterteilt werden könne. Nach der neuen Lösung (Urt. v. 19. März 2019 – Az.: 9 AZR 406/17) ist der Urlaubsanspruch für das betroffene Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht umzurechnen. Dieses Ergebnis ist interessengerecht.
Nach der unionsrechtlich vorgegebenen Rechtsprechung des BAG ist bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit ein Urlaub, der während der Vollzeittätigkeit entstanden ist, aber erst während der Teilzeittätigkeit genommen wird, mit der Vollzeit-Vergütung zu entgelten (Urt. v. 20. März 2018 – Az.: 9 AZR 486/17).
Arbeitgeber sollten bei einer unterjährigen Veränderung der Arbeitszeit darauf achten, dass der anteilig bisher entstandene Urlaubsanspruch bis zum Wechsel vollständig vom Arbeitnehmer genommen wurde.
Sie haben praktische Fragen zur Berechnung des Urlaubsanspruches? Sprechen Sie uns gern an!