Unfaire Vertragsverhandlungen – Bundesarbeitsgericht senkt die Schwelle für Unwirksamkeit von Aufhebungsverträgen

19.02.2020
Arbeitsrecht
3 Minuten

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bringt erhebliche Bewegung in die Debatte um die Loslösung von Aufhebungsverträgen (BAG Urt. v. 7.2.2019 – 6 AZR 75/18). Dieses Urteil ist – so muss man konstatieren – ein Gewinn für jeden Arbeitnehmer, für den es nun leichter wird, gegen Aufhebungsverträge, die in einer Drucksituation geschlossen wurden, vorzugehen. Auch findet das aus dem anglo-amerikanischen Raum stammende Rechtsinstitut der „undue influence“ eine sinngemäße Übertragung in die deutsche Zivilrechtsdogmatik.

Die Richter des BAG hatten über ein Verfahren zu entscheiden, dessen Gegenstand die Frage war, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungshilfe angestellt. Die Beklagte kündigte der Klägerin im Laufe des Jahres 2015 das Arbeitsverhältnis, im August 2015 verlängerte sie das Arbeitsverhältnis bis zum 22. Februar 2019. Am 15. Februar 2019 wurde der Geschäftsführer der Beklagten bei der Klägerin in deren Privatwohnung vorstellig und verlangte von ihr, einen vorgefertigten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, in welchem als Aufhebungszeitpunkt der 15. Februar 2019, also derselbe Tag, vereinbart wurde, daneben noch die Ausstellung eines wohlwollenden Arbeitszeugnisses und die Übergabe sämtlicher Arbeitspapiere. Die Klägerin unterzeichnete den ihr vorgelegten Vertrag, nach eigenem Vortrag „im Tran“ aufgrund einer sie ans Bett fesselnden Krankheit. Es wurden auch sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen, abgesehen von Ansprüchen aus „zu viel gezahlten Arbeitsstunden“.

Die Klägerin war vor den Vorinstanzen mit ihrem Antrag festzustellen, dass der Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung, Drohung und Irrtums nichtig und darüber hinaus durch Widerruf aufgehoben sei, gescheitert. Insbesondere die Begründung, warum ein Widerruf des Aufhebungsvertrags gem. §§ 355, 312b, 312g BGB nicht möglich ist, nimmt einen Großteil der Begründung des Urteils ein. Dies verwundert insoweit, als hier lediglich die eigene ständige Rechtsprechung fortgesetzt wird. Die BAG-Richter sahen sich aber wohl aufgrund der seit der letzten in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidung geänderten Rechtslage (Einführung des § 312g als Neufassung des § 312 BGB a.f.) zur Klarstellung verpflichtet, wohl auch, weil in der Literatur die unterschiedlichen Ansichten zu diesem Thema lauter wurden. Das BAG führt aus, dass es sich aufgrund des umfassenden Verbraucherbegriffs des BGB auch bei Arbeitnehmern um Verbraucher handelt, der Abschluss eines Aufhebungsvertrages, genau wie der Abschluss eines Arbeitsvertrages, also ein Verbrauchervertrag ist. Jedoch verneint es ein Widerrufsrecht des Arbeitnehmers, da es die Anwendbarkeit der vorstehenden Vorschriften für das Arbeitsrecht mangels einer entsprechenden Intention des Gesetzgebers ablehnt. Durch eine Auslegung von Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck dieser Verbraucherschutzvorschriften kommt das BAG zum gleichen Ergebnis wie die Vorinstanzen, dass nämlich kein Widerrufsrecht existiert. Dieses Ergebnis stellt angesichts der bisher ergangenen Rechtsprechung zu diesem Thema keine Überraschung dar. Es beendet jedoch endgültig die Debatte, ob Widerrufsrechte auf Arbeits- sowie Aufhebungsverträge Anwendung finden oder nicht.

Bedeutung hat diese Entscheidung aber insoweit, da das BAG erstmals das Gebot desFairen Verhandelns“ als vertragliche Pflicht einführt. Nach dem Wortlaut der BAG-Entscheidung schützt dieser Grundsatz, abgeleitet aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers die „Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen“. Diese Pflicht führe zwar nicht dazu, dass eine Vertragspartei ihre eigenen Interessen verleugnen müsse, so die BAG-Richter. Dennoch sei gebotene Rücksicht auf die Interessen der Gegenseite zu nehmen. Dies bedeutet nach Ansicht des BAG für die Verhandlungen um den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, dass keine Vertragspartei eine Verhandlungssituation herbeiführen dürfe, die für die andere Partei eine unfaire Behandlung darstellt. Durch das Schaffen oder Ausnutzen einer Überrumplungssituation, die die andere Vertragspartei in ihrem Interesse der freien und überlegten Willensbildung erheblich hindert, wird dieses Gebot verletzt. Dazu zählt auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren erheblichen körperlichen oder psychischen Schwäche der Entscheidungsfreiheit. Die Richter führen weiter aus, dass der Aufhebungsvertrag in der Regel unwirksam ist, wenn ein solcher Verstoß schuldhaft erfolgt. Auch wenn dies dogmatisch angreifbar ist, so ist dieses Ergebnis doch zweckmäßig, da insbesondere ein Arbeitnehmer, der mit einem Aufhebungsvertrag, der unter Ausnutzung einer Drucksituation zu Stande kam, konfrontiert wurde, wenig am Abschluss eines neuen, fehlerfreien Vertrages gelegen sein kann. Das BAG hat daher die Angelegenheit dem vorher urteilenden LAG zur erneuten Entscheidung vorgelegt.

Praxistipp

Arbeitnehmern wird es mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung „im Rücken“ künftig leichter fallen, sich von einem in einer physischen oder psychischen Drucksituation geschlossenen Vertrag zu lösen. Auf Seiten des Arbeitgebers zwingt diese Rechtsprechung dazu, auf faire Umstände bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag zu sorgen, andernfalls droht ein langwieriger Rechtsstreit.

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