Arbeitgeber mit Betriebsräten müssen den Betriebsrat vor dem Ausspruch einer Kündigung stets anhören – auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses (sog. „Wartezeit“). Diese Tatsache ist nichts neues und Arbeitgebern bekannt. Bereits deutlich weniger bekannt dürfte der Umstand sein, dass die Betriebsratsanhörung in einem Kündigungsrechtsstreit gewissermaßen das „Eingangstor“ darstellt. Die möglichen Fehlerquellen bei einer Betriebsratsanhörung sind derart umfassend, dass viele Arbeitsgerichte eine Kündigung vor Gericht bereits an einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung scheitern lassen.
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats außerordentlich fristlos gekündigt wurde. Im Rahmen des Anhörungsschreibens gab der Arbeitgeber bei den sog. Sozialdaten des Arbeitnehmers an, dass dieser ledig sowie kinderlos sei. Tatsächlich war der Arbeitnehmer jedoch verheiratet und hatte ein Kind, dem gegenüber er auch zum Unterhalt verpflichtet war. Diese tatsächlichen Umstände waren dem Betriebsrat allerdings bekannt. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung sodann auch mit dem Hinweis auf die bestehenden Unterhaltspflichten.
Inhaltlicher Hintergrund der fristlosen Kündigung waren Drohungen, die der Kläger gegenüber einem Personaldisponenten des Arbeitgebers ausgesprochen hatte. Diese Drohungen hatten sich im Laufe des Rechtsstreits durch die Zeugenvernehmung des Personaldisponenten bestätigt.
Kurios: Der Arbeitnehmer begehrte als Gegenbeweis, an einen Lügendetektor angeschlossen zu werden, um das Gericht davon zu überzeugen, dass er diese Drohungen nicht ausgesprochen habe.
Der Kläger unterlag in allen drei Instanzen. Sowohl das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht als schlussendlich auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 28.02.2023 – 2 AZR 194/22) erachteten die außerordentliche fristlose Kündigung für wirksam.
Dass die hier inhaltlich zu beurteilenden Drohungen („Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von Euch vor meiner Haustür oder meinem Briefkasten sehe, werde ich Euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei Euch helfen.“ und „Ochse, Du musst in Zukunft auf Dich und Deine Familie achten.“) grundsätzlich eine fristlose Kündigung darstellen, bedurfte keiner allzu ausführlichen Begründung seitens des Bundesarbeitsgerichts.
Die Arbeitgeberstellung stärkte das Bundesarbeitsgericht jedoch insoweit, als dass es die (objektiv) fehlerhafte Mitteilung über die Sozialdaten als unschädlich erachtete. Maßgeblich waren insoweit zwei Umstände:
Der Arbeitgeber hatte nur irrtümlich fehlerhaft über die Sozialdaten informiert.
Der Betriebsrat kannte die tatsächlichen Sozialdaten.
Das Bundesarbeitsgericht ließ es sich im Rahmen seiner Entscheidung sodann nicht nehmen, ein paar klarstellende Worte zu dem Beweisangebot des klagenden Arbeitnehmers, an einen Lügendetektor angeschlossen zu werden, zu schreiben:
Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH 30. November 2010 – 1 StR 509/10 – Rn. 6; 24. Juni 2003 – VI ZR 327/02 – Rn. 6 ff.; BVerwG 31. Juli 2014 – 2 B 20.14 – Rn. 9 ff.) stehende Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei nicht gegenbeweislich an einen „Lügendetektor“ (polygraphische Untersuchung mittels Kontrollfragentests) anzuschließen gewesen, weil es sich – auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren – um ein völlig ungeeignetes Beweismittel handele.
Dass ernstgemeinte Drohungen eines Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber mit „Gefahren für Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen und/oder deren Verwandte“ grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen, ist nichts neues.
Soweit ersichtlich beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht erstmals mit der Zuverlässigkeit von sog. Lügendetektoren. Es schließt sich jedoch – insoweit ebenfalls kaum überraschend – der Rechtsprechung der anderen höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht) an.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist insofern keine Sensationsentscheidung, stärkt jedoch in konsequenter Umsetzung der bisherigen Rechtsprechungslinie die Arbeitgeberposition:
Sofern ein Arbeitgeber nur irrtümlich fehlerhaft über die Sozialdaten informiert und der Betriebsrat die korrekten Informationen hat, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Gleichwohl zeigt allein die dezidierte Auseinandersetzung der Gerichte zu diesem Teilaspekt, dass die Praxisrelevanz einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung kaum zu unterschätzen ist.
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