Angebote für Corona-Schnelltests, Abstandsgebot, Hygienekonzepte, Bereitstellung von medizinischen Gesichtsmasken und Home-Office: Die unternehmensspezifischen Pflichten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer aktuell vor starke Herausforderungen. Die Grundlage dieser unternehmensspezifischen Pflichten ist die Corona-Arbeitsschutzverordnung (mit Ausnahme der Home-Office-Regelungen, die sich in § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz befinden).
Während die Home-Office-Regelungen (Angebotspflicht der Arbeitgeber sowie Annahmepflicht der Arbeitnehmer) nach aktuellen Aussagen mit Ablauf des 30. Juni 2021 ersatzlos wegfallen sollen, wird die Corona-Arbeitsschutzverordnung ab dem 1. Juli 2021 in abgeschwächter Form weitergelten. Der am 23. Juni 2021 beschlossene Referentenentwurf der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ist hier verfügbar.
Die bisherige starre Höchstbegrenzung von Beschäftigten bei gleichzeitiger Nutzung von Räumen (Mindestfläche von 10 m² für jede im Raum befindliche Person) entfällt.
Die expliziten Vorgaben zu den Maßnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb („Lüftungsmaßnahmen“, „geeignete Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen“ etc.) entfallen. Insbesondere entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, „betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren“.
Ebenfalls neu ist, dass die bislang sehr weitgehende Pflicht zur Bereitstellung und zum Tragen von Gesichtsmasken (bislang etwa stets „wenn Wege vom und zum Arbeitsplatz innerhalb von Gebäuden zurückgelegt werden“) im Grundsatz entfällt. Nach § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV n. F. soll diese Pflicht nur noch bestehen, wenn eine Gefährdungsbeurteilung ergibt, „dass ein Schutz der Beschäftigten durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend ist und das Tragen medizinischer Gesichtsmasken (Mund-Nase-Schutz) oder der in der Anlage bezeichneten Atemschutzmasken durch die Beschäftigten erforderlich ist“.
Unverändert bleibt zunächst die Pflicht der Arbeitgeber, die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen unter Berücksichtigung der SARS-CoV-Arbeitsschutzregel zu überprüfen und zu aktualisieren. Auf der Grundlage dieser Gefährdungsbeurteilung ist weiterhin ein betriebliches Hygienekonzept festzulegen und umzusetzen.
Ebenfalls unverändert soll es ab dem 1. Juli 2021 heißen: „Der Arbeitgeber hat alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren.“.
Auch die arbeitgeberseitige Pflicht, Beschäftigten zwei Corona-Schnelltests pro Woche anzubieten (wir berichteten) bleibt im Grundsatz bestehen.
Nein. Betriebsbedingte Zusammenkünfte sollen weiterhin reduziert werden. Nach der neuen Fassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung bleibt in diesem Zusammenhang jedoch unklar, in welchem Verhältnis die Streichung der Pflicht, „betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen auf ein betriebsnotwendiges Minimum zu reduzieren“ zu der weiterhin bestehenden Pflicht des Arbeitgebers steht, „alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren“.
Auf den ersten Blick dürfte das Treffen „aller geeigneter organisatorischer Maßnahmen zur Reduzierung betriebsbedingter Personenkontakte“ dazu führen, dass betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen automatisch auf ein betriebsnotwendiges Minimum beschränkt werden. Eine andere Bewertung ließe sich jedenfalls aber dann vornehmen, wenn man den Aspekt der Mitarbeiterbindung/Mitarbeiterbegegnung bei der Definition der „geeigneten Maßnahmen“ berücksichtigen würde. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass eine konsequente Home-Office-Pflicht und die Verlagerung sämtlicher betrieblicher Aktivitäten in die virtuelle Welt für einen erheblichen Zeitraum – für nicht wenige Beschäftigte ist die eigene Wohnung seit über 15 Monaten ihr ausschließlicher Arbeitsplatz – nachteilhaft für die (psychische) Gesundheit sein kann. Insofern würde dieses Ergebnis auch mit dem Ziel der Corona-Arbeitsschutzverordnung, „das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit zu minimieren und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen“ im Einklang stehen.
Da jedoch gleichzeitig die gesetzliche Home-Office-Pflicht mit Ablauf des 30. Juni 2021 wegfallen soll, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die nächsten Monate – bis zum 10. September 2021 soll die neue Verordnung gelten – ein angemessenes Mittelmaß zwischen der Tätigkeit im Home-Office und der Tätigkeit im Betrieb finden.
Auch hier gilt eindeutig: Nein. Jedenfalls dann, wenn der Schutz der Beschäftigten nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen ausreichend gewährleistet werden kann, müssen entsprechende Gesichtsmasken vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und von den Beschäftigten getragen werden. Bei der Frage, wann ein Schutz als „nicht ausreichend“ gilt, können Unternehmen sich an der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (insbesondere Ziffer 4.1) orientieren.
Wichtig: Ergänzend zu der Corona-Arbeitsschutzverordnung gelten die allgemeinen Corona-Verordnungen der jeweiligen Länder. So besagt z. B. § 10a Abs. 2 S. 1 der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (in der Fassung vom 21. Juni 2021) weiterhin ausdrücklich:
„In allen nicht dem Publikumsverkehr zugänglichen Arbeits-, Dienst- und Betriebsstätten sowie sonstigen räumlichen Bereichen, die der Berufsausübung dienen, gilt in geschlossenen Räumen die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske nach § 8.“
Auch hier bleibt allerdings unklar, ob die landesrechtliche Verordnung (am Beispiel Hamburgs) an dieser Stelle angesichts Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) weiterhin Anwendung findet oder ob die bundesweit geltende Corona-Arbeitsschutzverordnung an dieser Stelle der landesrechtlichen Regelung vorgeht. Arbeitgebern ist aufgrund dieser gesetzlichen Unsicherheit dazu zu raten, die Maskenpflicht in ihren Betrieben bis auf Weiteres beizubehalten.
Grundsätzlich gilt: Allen Mitarbeitern müssen nach wie vor zwei kostenfreie Corona-Schnelltests pro Woche angeboten werden. Angebote sollen jedoch gem. § 4 Abs. 2 Corona-ArbSchV n. F nicht erforderlich sein, „soweit der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherstellt oder einen bestehenden gleichwertigen Schutz nachweisen kann.“ Die Begründung der neuen Verordnung sagt zur Entbehrlichkeit der Testangebote:
„Beschäftigten, bei denen ein Nachweis der vollständigen Impfung oder Genesung von einer COVID-19-Erkrankung vorliegt, können vom Testangebot ausgenommen werden. Die Gefährdungsbeurteilung sollte aber festlegen, ob ein Testangebot dennoch sinnvoll sein kann, um das Risiko der Einschleppung von COVID-19 in den Betrieb weiter zu vermindern. Die Verordnung sieht jedoch kein Auskunftsrecht des Arbeitgebers über Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten vor.“
Mangels Auskunftsrecht können Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer daher lediglich bitten, ihnen Auskunft über einen vollständigen Impfschutz bzw. über eine vollständige Genesung zu erteilen. Kommen Arbeitnehmer dieser Bitte nach, können Arbeitgeber grundsätzlich davon absehen, diesen Mitarbeitern kostenfreie Corona-Tests zur Verfügung zu stellen.
Fazit:
Die aufgrund der stark zurückgehenden Fallzahlen nachvollziehbaren Lockerungen sind zum einen begrüßenswert, zum anderen schaffen sie gleichzeitig neue rechtliche Unsicherheiten. Aufgrund sehr abstrakt gehaltener Formulierungen sowie teilweise widersprüchlicher Regelungen in den Landesvorschriften, dürften Arbeitgeber gut beraten sein, die betrieblichen Corona-Schutzvorschriften nur vorsichtig zu lockern. Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung gilt bis zur Aufhebung der Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Bundestag, längstens jedoch bis zum 10. September 2021.